das Single-Selbst

Vor kurzem habe ich eines dieser typischen „Wir-Pärchen“ kennengelernt. Ihr kennt diese unvergleichlichen Erscheinungen auch oder?

Wenn ein Paar (und man muss es leider sagen: hauptsächlich die Frau) jeden Satz beginnt mit: „wir“ oder „mein Freund und ich“. Dies wird fleissig fortgeführt, während du dir nach dem fünften eben solchen Satz unweigerlich vorstellen musst, wie sie als  verschmolzene Mutation wohl aussehen würden…

 
Du „Ich möchte unbedingt einmal Griechenland sehen…“
 
Sie – WIR waren dort schon einmal vor zwei Jahren es war traumhaft schön..
 
 
ach ja und meistens ist die Wortwahl dieser Sätze so vollgestopft mit 
hochgespielter Euphorie, dass diese Sätze die Eigenschaft 
haben, dich fühlen zu lassen als würdest du in einen exklusiven Club nicht 
reingelassen, weil du nicht auf der Gästeliste stehst
 
Du „ich habe wahnsinnigen Hunger…“
 
Sie: – WIR hatten vorher auch so hunger, deswegen sind wir noch schnell essen gegangen

 

…ja ja vor allem „WIR hatten hunger“ & „Uns war kalt“… 
gemeinsames Empfinden in allen erdenklichen & fragwürdigsten Lebenslagen.

 

An dieser Stelle muss ich hier natürlich zugeben: wenn man (vielleicht auch schon etwas länger) in einer Beziehung ist, wird dieses „wir“ zunehmend zu einer unumgänglichen Fahrspur, auf die man irgendwann unweigerlich ausweichen muss. Das tue ich selbst natürlich auch, denn dafür hat man nunmal zu viele Momente mit dieser Person verbracht. Doch diese „Wir-Pärchen“ sind dafür bekannt ausschließlich auf dieser einen Spur die Straße hinunter zu brettern… ohne Rücksicht auf Verluste.

Wenn man Teil eines solchen Paares ist, ist es wohl der Stolz darauf (oder das Bedürfnis regelmäßig das Revier zu markieren) was in einem den Drang erweckt, die eigene Partnerschaft in jeder Aussage vor anderen Individuen zu betonen. Doch ich fragte mich unwillentlich: was haben diese Menschen vor ihrer Beziehung gemacht? haben sie jemals mit dem selben Stolz über ihre alleinigen Erfahrungen gesprochen? Wie war ihr damaliges Single-selbst? Und vor Allem ist dieses noch irgendwo in ihnen vorhanden?

 

Ich fing an über das Single-selbst und Beziehungen nachzudenken.

Erfahrungen, Menschen, Freundschaften und vor allem Beziehungen haben die Besonderheit einen zu verändern.

Man entwickelt sich, geht Kompromisse ein, lernt neue Dinge & Ansichten kennen und ehe man es sich versieht

ist man nicht mehr der selbe Mensch.

 

Doch zum Single-Selbst gehören auch die kleinen Dinge, wie beispielsweise: die peinliche Single-musik, die kurzen Single-Outfits, die Single-Alltagsroutine: schlafen bis 12h00, Essen bestellen und im Bett vor Bitch-Fights von Gossip Girl fettige chinesische Nudeln zu essen, völlig spontan die Mädels im Café treffen, mit ihnen tanzend vortrinken, sich aufbretzeln und exzessiv tanzen gehen um dort impulsiv herumzuflirten. Was ist mit diesen Teilen des Single-ichs…?

Ist das Single-ich nur die Folie auf einem Rubbel-Los, das man zum einlösen des Monogamie-Gewinns abrubbeln muss? wenn ja, was passiert danach? wenn wir das Single-ich abgerubbelt haben und der Beziehungsjackpot darunter erscheint ist es dann für immer hinweggekratzt, in tausend kleine Überrest-Schnipsel, die man auf den Boden fallen lässt? Oder vielleicht ist es eher eine Akte die man einordnet & erst wieder herausholt, wenn man sich wieder Alleine wiederfindet.

Mittendrin gibt es jedoch noch ein Zwischenstadium. Man fängt an Attribute des Single-selbst abzurubbeln oder wegzuräumen und gleichzeitig fängt man schon wieder an Diese zu vermissen.

Während du dir beispielsweise eine berauschende Nacht darunter vorstellst im Cavos inmitten von fliegenden Servietten auf den Tischen zu tanzen, fabelhafte Cocktails zu schlürfen und mit deinen fabelhaften Freundinnen einfach fabelhaft zu sein…dein Freund & dein Beziehungs-Selbst jedoch lieber auf der Couch vor Navy CIS sitzen, in der wohlig weichen Baumwolldecke… da wird man wehmütig. Man steckt im Zwiespalt, man liebt das Beziehungs-Ich & die warmen Arme in die man sich gemütlich vor dem Fernseher kuschelt… und muss trotzdem schweren Herzens die Tränen wegdrücken, wenn man das Single-Selbst, Cosmopolitans schlürfend auf wunderschönen High-Heels, winkend weg stolzieren sieht.

Wenn man also gefunden hat was man gesucht hat: einen wunderbaren Mann mit dem man zur Ruhe gekommen ist, warum sind manche Menschen so zögerlich ihr Single-Selbst loszulassen?

 

Oftmals beschreibt man das Single-leben als ruhelosen Spaß und abenteuerlichen Wirbel und das Beziehungsleben als Gegenstück und ‚zur Ruhe kommen‘. Wenn das so ist: warum wollen manche die zur Ruhe gekommen sind gleich wieder alles herumwirbeln? und sind andere (wie diese ‚wir-Pärchen‘) in dieser Ruhe rundum glücklich? oder sieht es bei ihnen nur nach Außen so aus und es wird heimlich mit den Ex-flammen gechattet & herumgeflirtet um wieder ein bisschen in den Wirbel zu geraten…

Oder aber ich liege komplett falsch und wir müssen als Komponente eines Paares überhaupt nicht zur Ruhe kommen.

Ich fragte mich: um in einer Beziehung zu sein, muss man sein Single-Selbst in eine Akte legen? 

 

Mit dem Vorsatz mein Beziehungs-Ich könne genauso fabelhaft sein, fing ich an einen Weg zu suchen wie mein Single-Selbst und mein Beziehungs-Selbst nebeneinander co existieren konnten. Ich beschloss mich die nächsten Wochen ausgiebig mir selbst zu zuwidmen, mit meinen Mädels auszugehen und auch so meine verschmähten Lieblings-Single-Gewohnheiten wieder aufzunehmen…

…nur blöd wenn man nicht mehr wie eine wildgewordene Furie vor dem Spiegel zu Charts von 2006 rum dancen kann, da der Freund im nächsten Zimmer sitzt und sich wohl von diesem Anblick nie wieder erholen würde. 

Ich merkte wie ich langsam wieder in den Wirbel hineingezogen wurde und mich feuchtfröhlich mitreissen ließ. Ich hatte wahnsinnig viel Spaß und harmloses Flirten erhellten die Nächte mit sprühenden Funken… und doch…„puh meine Füße!…& was für oberflächliche Schnösel doch rumlaufen!!“

… ein paar abenteuerliche Abende später, spürte ich wie anstrengend es jedoch war. Meine Füße taten weh und waren aufgeblasen wie zwei monströse oversize Latschen, der Geldbeutel schmerzte genauso (während dessen Inneres praktisch nicht mehr existent und kaum erwähnenswert war) und man musste aufdringliche und schleimige Anmachsprüche über sich ergehen lassen, von Typen die sich 5 Sekunden später schon nicht mehr für einen interessierten.

An jenem Abend dann, als mir von dem Wirbel schwindelig, beinahe schlecht wurde und ich erschöpft zuhause ankam, merkte ich es:

Ich war wirklich nicht mehr die selbe, die ich einmal war! Ich hatte nicht mehr die Ausdauer, nicht mehr die Kraft und die Lust zu leben wie mein Single-Selbst es so wahnsinnig gerne getan hatte… jedenfalls jetzt gerade nicht. Ich wollte gerne wieder in meine wundervolle Ruhe und sah dann ganz klar: Es gibt diese vereinzelten, ganz exklusiven Clubs, auf dessen Gästeliste nur zwei Menschen geschrieben stehen. Diese sind sehr schwer zu finden und noch schwieriger hineinzukommen… & davon hatte ich Einen gefunden!

Und f**k it!

mein Beziehungs-Selbst kann sich demnächst doch auch fabelhafte High-Heels kaufen… oder nicht?

fabulous

9 comments

  1. Ben Froehlich says:

    Du triffst dich mit Freundinnen im Kaffee??? Vermutlich so eine Art Schlammbad, eben nur mit Kaffee drin. Ich bevorzuge da eher den Besuch eines Cafés :-P

    Nun aber zu deinem Text. Der Mensch passt sich immer seinen Umständen an. Das ist ja die durchaus besondere Eigenschaft. Dinge, die anstrengend sind, werden nicht so empfunden, weil das Ziel dahinter großartig zu sein scheint (so ein durchtanzter Abend, an dem man eben doch eine verflucht schöne Person kennenlernt [und ja, ich schrieb absichtlich “schön”, weil man mehr eh selten herausfindet]). Ich kann mich da an den letzten Samstag erinnern, als ich wunderbar mit Freunden tanzte und dann plötzlich diese Frau mit den blauen Augen verschwunden war. Ihr Freund hatte sie abgeholt, so erfuhr ich kurz darauf. Man, fühlte ich mich danach plötzlich müde und wusste, dass ich eigentlich nur noch in mein Bett will :-)

    Es gibt aber noch andere Gründe, warum man das Weggehen vermisst und das ist natürlich die wunderbare Zeit mit Freunden. Wie gern erinnere ich mich an jene Feierei, als wir zu viert auf der Tanzfläche grölten, nachdem der eklige Typ nach knapp drei Stunden endlich seinen Kuss bekam, den sie zuvor immer gerade so vermeiden konnte, sich aber doch nie von ihm löste. Ein Schauspiel, dass so nur unter uns alkoholisierten Freunden wirklich witzig war und mich allein eher hätte den Kopf schütteln lassen.

    Jedes Paar muss für sich die richtige Mischung aus gemütlichem Abend und Weggehen finden und sich dabei auch wohl fühlen. Aber was man nie vergessen sollte: Abends ausgehen bedeutet eben auch flirten. Wer etwas anderes behauptet, der lügt oder lebt in einer Fabelwelt. Gegen einen Flirt ist auch in einer Beziehung (nach meinem Empfinden zumindest) nichts einzuwenden, aber wenn nun ein Partner ständig feiern gehen will, während man in einer Beziehung steckt, dann fände ich das schon bedenklich.

    • Itsgoodtobeyou says:

      Manchmal kommt eben doch die Französin in mir hoch :D (le Café und so)..

      ja genauso ist es mein Freund! Und bei der Ansicht mit dem Flirt, gebe ich dir zu 100% recht! besser hätte man es nicht ausdrücken können.

      Danke für deine beißgeliebten Kommentare & vor Allem an dieser Stelle ‘danke für diesen Kommentar’

      Mit ganz lieben Grüßen
      Aurelia

      • Ben Froehlich says:

        Dann hast du aber nicht auf die Französin in dir gehört ;-)

        Und ich kommentiere gern. Dein Blog oder deine Beiträge strotzen immer so voller Energie, so voller Frische. Dafür kann ich mich nur bedanken.

        Liebe Grüße zurück an dich,
        Ben

        • Itsgoodtobeyou says:

          Haha ich meinte auch eher das verwirrende ‘zweisprachig-aufgewachsen-sein’ und daraus resultierende fehlerhafte wortwörtliche Übersetzen ;)

          Das freut mich wahnsinnig wahnsinnig wahnsinnig! <3
          Küsse
          Aurelia

  2. Cassandra says:

    Liebste Aurelia, davon mal abgesehen, dass dein Design und der Header (!!) ja mal der absolute Wahnsinn sind, finde ich deinen Schreibstil unheimlich schön weil er so bildlich ist. Ich bin froh, dass du offensichtlich keiner dieser Mädels bist die nur als Pärchen existieren! Der Trick ist einfach die Balance zumischen Eigenständigkeit und Zweisamkeit zu finden. So wird’s weder für den Partner noch die Freunde langweilig ;)! <3

    • Itsgoodtobeyou says:

      Liebste Cassandra, dein Kommentar hat mich gerade über alle Maßen gefreut, vielen Dank dafür :)

      Und du hast vollkommen Recht, das ist der Clue. Ich konnte (außer im ersten Jahr…wer ist das nicht?) sowieso nie der komplette Monogamie-Mensch sein, der gerne den Partner überallhin mitnimmt. Mit den Ladies auszugehen ist doch sowieso viel fabelhafter, oder?! <3

  3. MissTique says:

    Eben diesen Beitrag bei dir entdeckt. (Und überhaupt, was ist das bitte schön für ein genialer Blog? Da muss ich später weiter schnüffeln). Ich habe gerade nur den ersten Teil gelesen, weil das Badewasser einläuft, aber ja so ist das wohl. Ich lebe aktuell einige Jahre in einer Beziehung und während ein “Wir” zu Beginn noch echt schön war, stelle ich nun über die Jahre immer mehr fest: ich habe mich tatsächlich verloren und muss mich erst mal wieder finden. Und das “Wir” geht mir dann und wann wirklich auf die Nerven. Und mir fällt auf, dass ich “Wir”-Sätze anbringe, wenn ich mir eine Art Unterstützung dadurch heranholen kann, im Gespräch mit anderen. Wir finden das… wir sehen das so…. wir haben das auch schon so gemacht… wir dies und wir das… man ist automatisch verbal schon zu 2. und hat somit eine unsichtbare Rückendeckung, die ich mir ab und an eben wünsche. Auch irgendwie gemein, den anderen mit einem “Wir” ins Bot zu holen, egal ob es stimmt oder nicht…. er ist unter Umständen gar nicht dabei oder sogar anderer Meinung… Ja. so ein “Wir” ist schon echt gefährlich….

    • Itsgoodtobeyou says:

      Ooooh wie ich mich freue über deinen Kommentar :)
      (und das mit dem Badewasser war mit Abstand die amüsanteste und beste Randbemerkung!)
      Ja mir geht das absolut genauso… wenn man sich wie eine aussenstehende Person selbst dabei ertappt viele Sätze mit ‘Wir’ beginnen zu wollen… dann ist es Zeit für Beschäftigungssitzungen mit sich Selbst! :D

  4. Gabi says:

    Ich könnte mich gerade völlig in deinem Blog verlieren … finde ihn super toll :) Werde hier sicher noch öfter auftauchen :)

    Würde mich freuen, wenn du dich auch mal auf meinem Blog verirren würdest ;)

    Beautyjunkie75.blogspot.com

    GLG
    Gabi

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